09.10.2025
Staatsverschuldung, Sozialsysteme und unsere Bilder vom Staat
Prof. Dr. Gregor Kirchhof, LL.M. (Notre Dame); Professor für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht; Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Augsburg; Dekan der Juristischen Fakultät

Einen Top-Referenten aus dem Bereich Wirtschaft/Wissenschaft konnte Vorsitzender Tobias Kurzmaier im Aktionskreis für Kultur, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft e.V. begrüßen. Prof. Dr. Gregor Kirchhof, Professor für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht, sowie Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Augsburg, war zu Gast und referierte zum höchst aktuellen Thema "Staatsverschuldung, Sozialsysteme und unsere Bilder vom Staat - über die notwendige Erneuerung des Steuerstaats in herausfordernden Zeiten".
Prof. Kirchhof schenkte den anwesenden Mitgliedern reinen Wein ein und sprach es deutlich aus: "In Bezug auf die Finanzierbarkeit unseres Sozialstaats rückt der Abgrund immer näher." Kirchhof zufolge bedarf es grundlegender Reformen, um unseren Sozialstaat weiter gewährleisten zu können. Er brachte es wie folgt auf den Punkt: "Kurzfristig brauchen wir Geld. Langfristig brauchen wir Mut zur Veränderung." Die Zahlen, die der Professor nannte, sind immens: Auf 470 Milliarden Euro beläuft sich der Haushalt eines Jahres der Bundesregierung. Davon entfallen allein 110 Milliarden für Rentenzahlungen und jedes Jahr 40 Milliarden Euro auf Zinsen, die der Staat für seine aufgenommenen Schulden zurückzahlen muss. Kirchhof: "Stabilität spielt keine große Rolle mehr. Die Schuldenquote geht auf 80% zu, weil der Staat immer mehr Schulden macht und somit auch immer mehr Schulden zurückgezahlt werden müssen." Der Professor mahnte ein Umdenken an. Bzgl. der Staatsausgaben hielt er ein Plädoyer für eine klare Steuerfinanzierung. Staatsschulden soll es nur noch in Ausnahmefällen bzw. Notsituationen geben: "Wir müssen unabdingbar weniger in Schulden denken und zeitgleich Steuereinnahmen vitalisieren. Auf die Steuervielfalt kommt es an."
Einen Teil seines Vortrags widmete Prof. Kirchhof den Bildern, die wir als Bürger aktuell vom Staat haben. Einen zentralen Punkt dabei spielt für Kirchhhof der Begriff "Westlessness", der erstmalig auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2020 aufkam. Der Professor sprach sich dafür aus, dass es in der Politik und Gesellschaft wieder "mehr Werte des Westens" braucht. Immer mehr Überregulierung und Bürokratie führen laut Kirchhof zu einem beachtlichen Demokratiedefizit. Aus seiner Sicht ist es daher nicht verwunderlich, dass viele Bürger den Staat und Institutionen wie die EU heute negativ wahrnehmen. "Was vor 30 Jahren mit Freiheit assoziiert wurde, betrachtet man heute mit Frust", so Kirchhof. Die EU-Kommission ist dem Professor viel zu mächtig und warum es 34 Agenturen der EU benötigt, kann man dem Bürger auch nur schwer erklären. "Wir müssen die Dinge dringend vereinfachen und dabei v.a. die Steuergesetzgebung. Die meisten Staaten kommen mit nur zehn Steuerarten aus."
Im Anschluss an den Vortrag von Prof. Kirchhof ergab sich eine interessante Diskussion. Die Mitglieder stellten dem Professor zahlreiche Fragen.
v.l.n.r.: Prof. Dr. Gregor Kirchhof, Tobias Kurzmaier (Vorsitzender), Gabriele Appel (Beirat), Christina Ludwig (Schriftführerin), Hermann Harbeck (Beirat), Andreas Goppel (Beirat), Hans Fritz (Beirat).