16. Mai 2022
Kriegszeiten = Wendezeiten!
„Kriegszeiten = Wendezeiten!“ war das Thema beim
Aktionskreis für Wirtschaft, Politik und Wissenschaft e.V. am 16. Mai 2022
mit drei hoch interessanten Referenten: Prof. Dr. Markus Backmund stellte
die medizinische und psychologische Sichtweise dar und erklärte u.a. welche
neue Methoden (EMDR - Eye Movement Desensitization and Reprocessing) es in
der Psychotherapie für Soldaten, die aus Kriegseinsätzen zurückkehren, bei
posttraumatischen Belastungsstörungen gibt. Militärökonom Dr. oec. Marcus
Keupp aus Zürich räumte in seinem Vortrag mit zahlreichen Mythen zu Russland
auf und lieferte eine top aktuelle, präzise und im Fazit doch ziemlich
ernüchternde Analyse zur deutschen Energiepolitik der letzten Jahrzehnte.
Klar gesagt: Wir haben auf Grund fehlender Diversifikation ein Problem und
werden es noch deutlich(er) zu spüren bekommen. Eine Lösung beim Abkoppeln
der Energieabhängigkeit von Russland könnte laut Keupp tatsächlich der Iran
sein. Die ehemalige SZ-Auslandskorrespondentin in der Türkei und Buchautorin
Christiane Schlötzer sprach sehr persönlich. Ihr Ehemann, der Journalist
Egon Scotland, wurde 1991 bei seiner Pressearbeit in Kroatien während des
Jugoslawien-Kriegs von einem Sniper erschossen. Umso authentischer
berichtete sie, was sie heute jungen Journalistinnen und Journalisten rät,
die Auslandskorrespondenten in Krisenregionen werden wollen. Schlötzer
erläuterte, dass derzeit zahlreiche russische Journalisten, die dort nicht
mehr frei arbeiten können, in die Türkei fliehen. „Mit Pressefreiheit wäre
dieser Krieg in Russland nicht möglich.“ Sie erinnerte an ihren mehrere
Jahre in Istanbul inhaftierten Kollegen Ahmet Altan, dem sie auch ein
Kapitel in ihrem neuen Buch gewidmet hat, kritisierte die zunehmende
Verrohung der Sprache in Teilen unserer Gesellschaft und den digitalen
Überfluss, der einige Menschen und ihr Leben mittlerweile dominiert.
„Mancher braucht wirklich ein Medien-Detox!“
Der Aktionskreis für Wirtschaft, Politik und Wissenschaft e.V. tagte diesmal
ausnahmsweise im ehrwürdigen Senatssaal im Bayerischen Landtag.
Vorsitzender Tobias Kurzmaier zeigte sich glücklich, erstmalig seit Ausbruch
der Corona-Pandemie vor rund 2 1/2 Jahren die Mitglieder wieder in einer
reinen Präsenzveranstaltung begrüßen zu können und wie immer gab es beim
AKWPW ein hoch kompetentes Gäste-Podium v.l.n.r.: Prof. Dr. med. Markus
Backmund, PD Dr. oec. Marcus Matthias Keupp, Dipl.-Kfm. und Christiane
Schlötzer. Prof. Dr. Markus Backmund ist Internist mit den Fachgebieten
Infektiologie, Notfallmedizin, Suchtmedizin und Psychotherapie, Begründer
des Praxiszentrums im Tal in München sowie Mitbegründer der P3 Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie in Tutzing am Starnberger See. Er referierte
zum Thema "Die Belastung der Seele in Kriegszeiten". Dr. Marcus Keupp leitet
die Dozentur für Militärökonomie an der Eidgenössischen Technischen
Hochschule (ETH) Zürich. Er sprach zum Thema "Abhängig von Russland? Mythen,
Fakten, Optionen". Christiane Schlötzer ist freie Journalistin, Buchautorin
und war über zehn Jahre Auslandskorrespondentin der Süddeutschen Zeitung in
der Türkei. 1993 hat sie die NGO Journalisten helfen Journalisten e.V.
mitgegründet, die Nothilfe für Journalistinnen und Journalisten sowie deren
Familien in Kriegs- und Krisengebieten leistet. Im Herbst 2021 ist im
Berenberg-Verlag in Berlin ihr Buch „Istanbul – ein Tag und eine Nacht: Ein
Portrait der Stadt in 24 Begegnungen am Bosporus“ erschienen. Es beruht auf
Recherchen während des Stipendiums in der Kulturakademie Tarabya-Istanbul
vom Oktober 2020 bis Februar 2021. Ihr Thema an dem Abend:
"Berichterstattung aus Krisenregionen".
Vorsitzender Tobias Kurzmaier, vom Beruf selbst Fachjournalist, stimmte
Christiane Schlötzer zu: "Die Auslandsberichterstattung zählt mit zum
Wichtigsten in der Presse- und Medienarbeit. Ja, sie ist teuer, ja, sie
kostet viel Geld - darum können sie sich auch nicht alle leisten bzw. einige
wollen dabei sparen oder kürzen - aber sie ist unabdingbar relevant und
alternativlos für eine gebildete, aufgeklärte Gesellschaft. Gerade heute in
zunehmenden Krisenzeiten, wo die Einordnung von Nachrichten für die Menschen
immer komplexer wird, braucht es Auslandskorrespondentinnen und
-korrespondenten vor Ort mehr denn je."
Gut gefüllt war der Senatssaal und von den AKWPW-Mitgliedern gab es viel
Applaus für die Vorträge der drei Referenten.
v.l.n.r.: Wolfgang Durner (Beirat), Prof. Dr. Markus Backmund, Dr. Marcus
Keupp, Hermann Harbeck (Beirat), Tobias Kurzmaier (Vorsitzende), Christiane
Schlötzer, Hans Fritz (Beirat), Andreas Goppel (Beirat), Wolfgang Schichtel
(Beirat), Helmut Six (Beirat)
Fotos: Petra Ruehle